Gemüseanbau heißt für mich ein Schwelgen in der Vielfalt, welche durch die jahrhundertelange züchterische Arbeit von Gemüsebauern entstanden ist. Erst durch den Anbau des eigenen Gemüses, wurde mir diese ungeheure Vielfalt der einzelnen Arten bewusst. Ich möchte nur einige Gemüsearten herausgreifen und ein wenig davon erzählen.
Wer kennt schon den Geschmack unterschiedlicher Tomatensorten – dabei gibt es mehrere tausend davon!
Es gibt runde, eiförmige, tropfenförmige und längliche Tomaten, große und winzig kleine, einfärbige in Dunkelbraun, verschiedenen Rot-Tönen, fast weiße, welche in Gelb, Orange oder auch Grün-Gelb-Gestreifte, Rot-Schwarz-Gestreifte. Es gibt sogar welche mit einem ganz ausgefallenem marmorierten Fruchtfleisch und welche die wie Paprikas aussehen und fast hohl sind. Und sicher gibt es noch ganz viele, von denen ich keine Ahnung habe. Und ja: Die meisten schmecken unterschiedlich. Es ist ganz wie mit Wein: Je mehr verschiedene Sorten man kostet, desto besser erkennt man Geschmacksnuancen. Anstatt zu einer Weinverkostung kann man Freunde auch zu einer Tomatenverkostung einladen und ein wenig die durch einförmige Ernährung und Fertigprodukte verkümmerten Geschmacksknospen trainieren!
Ebenfalls möglich ist eine Unterscheidung nach rein praktischen Kritierien: Es gibt Tomaten, die sich besser zum Trocknen eignen als andere, es gibt welche, die sind prädestiniert für Soßen, andere für den Genuss im Salat, wieder andere sind reine Naschtomaten für den kleinen Gusto im Vorbeigehen oder Massenträger für’s Einkochen des Wintervorrats. Vielleicht haben sich einige gefragt, wozu man beinahe hohle Tomaten braucht – na, zum Füllen! Dann gibt es sehr robuste Arten und krankheitsanfälligere, frühtragende für den Juni und spättragende für den Oktober. Damit die Tomaten-Frischversorgung auch lange garantiert ist.
Wie schön sieht ein bunter Blattsalat aus vielen verschiedenen Sorten, vielleicht noch mit Roter Melde kombiniert in einer Glasschüssel aus – ein Erlebnis auch für das Auge!
Blattsalate gibt es für jede Jahreszeit und in verschiedensten Nuancen. Von zarten Blättern, bis zu kräftig-knackigen, in allen möglichen Grün-Gelblich-Rötlich-Rot-Tönen bis hin zum dunkelroten Radicchio. Es gibt auch welche mit gesprenkelten Blättern, wie zum Beispiel den Forellenschluss. Als Ergänzung eignen sich Melde, Feldsalat, verschiedene Rauke- und Kressearten oder einfach ein paar Beikräuter wie Löwenzahn oder Wegerich, die sowieso überall im Rasen wachsen.
Ich bevorzuge eindeutig Pflücksalate. Die haben den großen Vorteil, dass ich nicht einen ganzen Salatkopf auf einmal abschneiden muss, sondern von verschiedensten Köpfen immer die unteren Blätter ernten kann und so mein Salat schön bunt und vielfältig wird. Zudem sind Pflücksalate meiner Erfahrung nach auch weniger anfällig für diverse Tierchen, da sie „offener“ wachsen und man mit der Ernte nicht warten muss, bis die Köpfe fest und geschlossen sind. Das bietet Schnecken, Blattläusen, Ohrenkneifern und Raupen weniger Chancen, sich dauerhaft und ungesehen in einem Kopf einzunisten.
Wunderbar auch der Anblick des roten Stielmangolds – erst im Gemüsegarten, dann beim Kochen, denn die Farbe des tiefroten Stängels und der roten Blattadern bleiben beim Kochen erhalten. Mangold gibt es als Blatt- und Stielmangold. Von letzterem kamen in den letzten Jahren mehrere Sorten mit roten, orangen oder gelben Stielen auf den Markt, was die Anbau-Verlockung sicher bei vielen erheblich gesteigert hat.
Wie praktisch ist Spargelsalat! Selbst den meisten leidenschaftlichen GemüsegärtnerInnen ist er unbekannt. Er wird verwendet wie Pflücksalat. Die Blätter werden von unten nach oben gepflückt, während er immer weiter wächst und neue Blätter ausbildet. Wenn er Blütenansätze zeigt, ist es an der Zeit, die bis dahin recht dicken Stängel zu ernten. Man schält und kocht sie wie Spargel. Besonders die Sorte „Chinesische Keule“ bildet lange, dicke „Spargel“ aus und hat dabei auch recht wohlschmeckende Salatblätter. Sehr zierend für den Garten ist auch die Spargelsalatsorte „Roter Stern“ mit dunkelroten Sprenkeln auf den Blättern. Was ich am Spargelsalat auch schätze: Die Salatblätter sind nicht gerippt, gewellt oder gar gerüscht, wie einige andere Pflücksalatarten, sondern glatt – und daher einfach und schnell zu waschen. Zudem ist er bei den Schnecken nicht sonderlich beliebt und Blattläuse hatte er noch nie.Wer kennt heutzutage noch den Geschmack verschiedener Fisolensorten? – Die einen zart, schmelzend, die anderen eher knackig und fest.
Auch optisch sind sie eine Zierde. Ich habe heuer drei Sorten auf meinen Stangenbohnentipis: Die Stangenbohne „Metro Rouge“ (in der rechten Schüssel) schlägt mit einer Länge von ca. 70 – 75 cm pro Fisole alle Rekorde. Schmeckt dabei aber immer noch zart und sehr fein. Die „Blauhilde“ (linke Schüssel) schmeckt kerniger, fester und knackiger. Ihre blauen Fisolen heben sich wunderschön vom grünen Laub ab. Dann habe ich noch „Neckargold“ angebaut, eine gelbe Fisole, ebenfalls sehr zart schmeckend. Zusätzlich habe ich heuer drei Körndl der „Berner Landfrauen“ gelegt, um daraus Saatgut für nächstes Jahr zu gewinnen. Die Fisolen dieser Sorte sind lila eingesprenkelt, eine echte Augenweide. Über den Geschmack kann ich erst nächstes Jahr urteilen.
Über Chilis (auf dem Bild oben einige der heuer angebauten Sorten) könnte ich ebenfalls begeisterte Romane schreiben! Die Vielfalt in Farbe, Form, Schärfe und Geschmack ist ganz unglaublich. Wer weiß schon, dass Chilis nicht einfach scharf oder mild schmecken – nein, viele schmechen auch ganz unterschiedlich fruchtig und ergeben so beim Kochen ungeahnte Nuancen! Jedes Jahr probiere ich einige neue Sorten und ihre Verwendungsmöglichkeiten aus.
Ich könnte diese Hymnen auf die Vielfalt noch lange so weiterführen – für Gurken, Zucchinis Kürbisse, Paprikas und andere Gemüsearten. Ebenso gilt dies für Kräuter. Es gibt eben nicht nur Basilikum. Oder „Grünes Basilikum“. Nein, es gibt so viele verschiedene Sorten mit ganz unterschiedlichen Farben, Geschmäckern, Blattgrößen und Verwendungsmöglichkeiten. Und das gilt auch für viele andere Kräuter.
Leider gehen in unserer Zeit viele der Gemüsesorten verloren. Weil die Lagerfähigkeit nicht gewährleistet ist, weil sie nicht für lange Transportwege geeignet sind, weil sie unmögliche Krümmungen aufweisen oder innerhalb der Sorte auch mal Variationen vorkommen – und das alles der Wirtschaft nicht ins Konzept passt. Damit gehen aber auch Geschmacksvarianten verloren, ebenso wie viele standortangepasste Züchtungen. Beispielsweise braucht es nicht jede Tomate gleich warm, gleich sonnig, um gut zu gedeihen. Es gibt auch Sorten, die an sehr spezielle Klimata und Bodenverhältnisse oder Extremstandorte angepasst sind. Solche Züchtungen sind besonders für Hobbygärtner und Eigenversorger sehr wertvoll, gehen aber unter dem Druck der Saatgutindustrie immer mehr unter. Da hilft nur eines: Selber die Vielfalt bewahren und fördern, andere damit anstecken und Saatgut tauschen und verschenken!
Weiter geht’s mit dem „Plädoyer für den Gemüsegarten“ demnächst im dritten Teil:
„Gemüsegarten III – Faul sein„
Der erste Teil zum Nachlesen: Gemüsegarten I – Eine Leidenschaft